Digitalisierung im Handwerk – wie geht das?
13.01.2021
„Der Wandel der Digitalisierung ist allgegenwärtig und trifft auch das Handwerk“, sagt Marie Walter. Sie ist von der Handwerkskammer Dresden als Beraterin für das Zukunftszentrum Sachsen berufen und unterstützt die Tischlerei Pohl aus Ebersbach Neugersdorf bei der Digitalisierung von Prozessen.
Der familiengeführte Betrieb beschäftigt acht Mitarbeiter*innen und ist mit einem Beratungswunsch an das Zukunftszentrum Sachsen herangetreten: „Wir haben zwar die Hindernisse in unseren Arbeitsabläufen gemerkt, wussten aber nicht, wie wir sie angehen können. Die Handwerkskammer Dresden hat uns die Beratung durch Frau Walter empfohlen, die uns schnell und unkompliziert in der konkreten Umsetzung helfen konnte.“, so Frank Pohl, Inhaber der Tischlerei in dritter Generation. „Uneindeutige Absprachen im Betrieb führten zu Missverständnissen untereinander und bedeuteten einen Mehraufwand für uns alle“, fasst Frank Pohl die damalige Problemlage zusammen.
Analyse des Gesamtprozesses
Der Veränderungsprozess zielt auf eine verbesserte interne Kommunikation. So ermöglicht beispielsweise die transparente Darstellung der anfallenden Aufträge den Beschäftigten eine flexible Gestaltung ihres Arbeitstages. Bei über 300 Aufträgen der Tischlerei pro Jahr ist ein fortlaufender Informationsaustausch notwendig, um eine selbstständige Arbeitsweise der Beschäftigten im Betrieb zu garantieren. Zuvor gestaltete sich der Ablauf zeitintensiv, fehleranfällig und komplizierter. Durch den Aufbau einer effizienten Auftragsdokumentation, inklusive automatischer Zuordnung der Auftragspositionen zu den jeweiligen Auftragszeiten, konnte der Ablauf vereinfacht werden.
Innerhalb der Beratung wurden in einem ersten Termin die geschäftlichen Prozesse mit der Geschäftsführung detailliert analysiert, bewertet und anschließend mögliche Verbesserungen besprochen. Daraus ergaben sich mehrere Handlungsschwerpunkte. Im nächsten Schritt werden die Beschäftigten einbezogen. „Ihre Wünsche, Ideen und eventuellen Verbesserungsvorschläge finden auf diese Weise Gehör.“, so Marie Walter. In der Regel werden zwei bis drei Workshops gemeinsam mit den Beteiligten im Betrieb umgesetzt. Im ersten gemeinsamen Workshop wird das Ziel geschärft und grundlegende Fragen geklärt: Welche Ziele werden verfolgt? Welche Werte sind wichtig? Was funktioniert heute gut und was soll unbedingt beibehalten werden? Der zweite und dritte Workshop widmet sich, mit zeitlichem Abstand, der Lösungsfindung und -erprobung.
„In diesem Fall führen wir im Betrieb eine digitale Aufgabensteuerung ein und testen diese“, erklärt Marie Walter. Dabei soll auch die Einsicht in die Kalender inklusive der Auftragslisten als Methode dabei helfen, die jeweiligen Verantwortlichkeiten zu kennen und den Betriebsablauf zu verbessern. Darüber hinaus blickt Marie Preußger während des Beratungsprozesses auch über den Tellerrand. Sie tauscht sich mit Kolleg*innen aus und prüft weitere Förderprogramme, die den Gestaltungsprozess des Betriebes gegebenenfalls finanziell unterstützen können.
Chancen und Herausforderungen für das Handwerk
Frank Pohl ist überzeugt, dass sein Team durch die verbesserte Struktur stressfreier und ruhiger arbeiten kann. Die Selbstständigkeit und Verantwortung aller im Team wird dadurch gefördert. Dennoch ist es mit der Beratung allein nicht getan: „Der gemeinsame Prozess hat die Mit-bestimmung der Beschäftigten gestärkt und somit auch die Arbeitgeberattraktivität des Betriebs gesteigert.“ sagt Herr Pohl. Die weitere Zusammenarbeit im gesamten Team ist wichtig und sollte beibehalten werden, um die Akzeptanz der Mitarbeiter*innen gleichbleibend hoch zu halten.
Gerade das Handwerk blickt auf zahlreiche Herausforderungen unserer Zeit. Der demografische Wandel macht es den Handwerksbetrieben schon seit vielen Jahren schwer Lehrlinge zu finden und damit langfristig die eigene Personaldecke zu sichern. „Fachkräfte im Handwerk sind schwer zu finden. Aus Mangel einer Nachfolge müssen regelmäßig Handwerksbetriebe geschlossen werden.“, gibt Marie Walter zu verstehen.
Aber nicht nur der Mangel an Arbeitskräften, sondern auch die Veränderung der Werte in der Gesellschaft lässt die Berufe des Handwerks zunehmend für junge Leute unattraktiv erscheinen. So können viele Handwerksbetriebe mit dem aktuellen Trend „Homeoffice“ nicht mithalten. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks betont, dass das Arbeiten vor Ort in der handwerklichen Praxis weiterhin elementar sein wird (zitiert in: Weißbuch Arbeiten 4.0, BMAS 2017, S. 74). Familienfreundlichkeit, Flexibilität oder auch mobiles Arbeiten sind keine Unmöglichkeit, aber eine Herausforderung, die ein Umdenken in den Betrieben erfordern. Dank guter Auftragslage, für die allermeisten Handwerker, fehlt zugleich die Zeit für ein Umdenken, Überdenken und Neuorganisieren von Prozessen und gewohnten Abläufen. Denn auch eine Veränderung zu mehr Zeitersparnis benötigt zunächst die Investition von zeitlichen Ressourcen zur Potenzialaufdeckung.
Der Mensch im Mittelpunkt
Es ist absehbar, dass eine Digitalisierung von Prozessen nötig wird, um langfristig zukunfts- und damit auch konkurrenzfähig zu bleiben. Die Herausforderung der Digitalisierung soll für Betriebe als Chance verstanden werden und kann als Sprungbrett für effizientere Arbeitsabläufe dienen. Häufig fehlt der Überblick über die möglichen digitalen Lösungen.
„Sehr niedrigschwellig können Online-Kalender zu Terminvergabe eingesetzt werden. Moderne Vewaltungsprogramme, die häufig bereits im Handwerksbetrieb im Einsatz sind, bringen solche Möglichkeiten bereits mit. Kundinnen können sich beispielsweise Sonntagabend auf der Couch ihren nächsten Friseurtermin buchen – ganz ohne den direkten Kontakt zum Friseur. Solche Möglichkeiten können sehr viele andere Handwerksbetriebe gleichermaßen für sich einsetzen.“ sagt Marie Walter.
Weitere digitale Veränderungen können beispielsweise im Kundenmanagement oder in der Auftragsumsetzung eine dauerhafte Zeitersparnis im Unternehmen bedeuten. Die Beschäftigten hätten demzufolge nachweislich mehr Zeit für ihre eigentlichen Tätigkeiten in der Fertigung oder Produktion. Die mit der Digitalisierung verbundenen modernen Arbeitsprozesse finden aktuell Schritt für Schritt ihren Weg ins Handwerk.
Um mittelständische Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Geschäftsprozesse unter Verwendung von digitalen Anwendungen zu optimieren, wird das Projekt „Regionales Zukunftszentrum Arbeit und Qualifizierung neu denken in Sachsen“ noch bis Juni 2022 realisiert. Im Freistaat Sachsen wird das Projekt von sieben Partnern unter der Leitung der RKW Sachsen GmbH Dienstleistung und Beratung durchgeführt. Das Zukunftszentrum richtet seine Angebote kostenfrei an alle Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen im Freistaat. Das Leistungsspektrum umfasst umfangreiche Beratungsprozesse und Methoden zur Befähigung der Beschäftigten. Die Beteiligung und Entwicklung der Mitarbeitenden spielen eine zentrale Rolle, denn im Mittelpunkt der Digitalisierung und damit von Veränderungen steht der Mensch.
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