Thema Überstunden: Was ist erlaubt?
In Deutschland arbeitet die Mehrheit der Beschäftigten regelmäßig mehr, als im Arbeitsvertrag vereinbart. Die Folgen können Müdigkeit, psychische Belastungen, Rücken- und Nackenschmerzen oder Schlafprobleme sein. Sieben Fragen zur Rechtslage, Fakten und Ratschläge zum Thema Überstunden.
1. Dürfen Überstunden vom Arbeitgeber einfach angeordnet werden?
Nein, sagt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Der Arbeitgeber kann zwar vielfältige Anweisungen zur Art der Arbeitsausführung geben, allerding nicht ohne weiteres Überstunden anordnen. Dafür ist eine eigene Rechtsgrundlage notwendig, die sich vielfach in Arbeitsverträgen findet. Auch eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder ein Tarifvertrag kann regeln, dass von den Beschäftigten eine bestimmte Anzahl von Überstunden zu leisten ist. Solche explizipten Rechtsgrundlagen gelten nur im äußersten Notfall nicht, beispielsweise bei einem Brand. Kurzfristig eingegangene Großaufträge oder Personalengpässe aufgrund von Urlaub oder Krankeheit zählen nicht dazu.
2. Müssen Überstunden immer vergütet werden?
Ja, denn Arbeitsleistungen müssen entlohnt werden. Allerdings kann der Arbeitgeber die Vergütungspflicht für Überstunden ausdrücklick ausschließen. Außerdem muss der Arbeitgeber nur die Überstunden vergüten, die er „veranlasst“ hat. Überstunden müssen demnach vergütet werden, wenn der Arbeitgeber diese explizit angeordnet hat, in einer Form zu kennengegeben hat, dass er diese billigt oder es werden Überstunden geguldet ohne Vorkehrungen zu treffen, diese zu unterbinden.
3. Was ist mit der Beweislast bei Überstunden?
Häufig bestreiten Arbeitgeber, dass die Beschäftigten Überstunden geleistet haben. Dann die Beschäftigten müssen vor Gericht beweisen, dass sie tatsächlich mehr als vertraglich vereinbart gearbeitet haben und diese Mehrarbeit (= Überstunden) angeordnet wurde. Nur wenn beide Fakten vorliegen, müssen Überstunden bezahlt werden.
Für etwa jeden achten Beschäftigten in Deutschland gehören Überstunden zum Arbeitsalltag.
Männer leisten einen Anteil von 14 Prozent Mehrarbeit.
Am weitesten verbreitet sind Überstunden im Bereich Finanz- und Versicherungsleistungen.
4. Sind Klauseln zulässig, die pauschal eine bestimmte Anzahl von Überstunden vereinbaren?
In vielen Arbeitsverträgen sind solche Klauseln enthalten. Soweit es sich um Formulararbeitsverträge (AGBs) handelt, die standardmäßig für alle Arbeitsverträge im Betrieb gelten, unterliegt die Wirksamkeit einer solchen Klausel der AGB-Kontrolle. Dabei kommt das sogenannte Transparenzgebot zur Anwendung: Den Beschäftigten muss bei Abschluss des Arbeitsvertrages klar sein, welche Belastung auf sie zukommen können. Daher sind Klauseln nicht zulässig, wonach Überstunden mit der normalen Vergütung abgegolten sein sollen. Jedoch können Klauseln wirksam sein, die eine bestimmte Anzahl von wöchentlichen Überstunden beinhalten.
5. Wie ist die Regelung bei Teilzeitbeschäftigten?
Etliche Tarifverträge enthalten die Regelung, dass Überstunden (und damit auch Überstundenzuschläge) bei Teilzeitbeschäftigten erst vorkommen, wenn die Wochenarbeitszeit eines in Vollzeit beschäftigten Mitarbeitenden überschritten wird. Bis zu dieser Grenze bleibt die Mehrarbeit ohne Sondervergütung. Ob dieses Vorgehen jedoch zulässig ist, steht mehr und mehr in Frage, da es eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten darstellen könnte.
Für die meisten Beschäftigten ist der Umfang der Mehrarbeit auf wenige Stunden pro Woche begrenzt.
Von den Personen, die 2021 mehr gearbeitet hatten als vertraglich vereinbart, leisteten knapp 22 Prozent unbezahlte Überstunden.
6. Wie ist die Rolle des Betriebsrats bei Überstunden?
Der Betriebsrat hat bei Überstunden ein echtes Mitbestimmungsrecht. Das heißt, er kann völlig gleichberechtigt mit dem Arbeitgeber über die Frage mitentscheiden, ob und in welchem Umfang Beschäftigte Überstunden leisten. Das Mitbestimmungsrecht umfasst die Frage, ob überhaupt und wer aus der Belegschaft Überstunden in welchem Umfang leisten soll. Dabei benötigt der Arbeitgeber die explizite Zustimmung des Betriebsrats.
7. Was können Beschäftigte bei Überstunden tun?
Beschäftigte müssen Überstunden nur dann machen, wenn die Anordnung rechtlich zulässig ist und eine Rechtsgrundlage vorliegt. Beschäftigten kommt dabei die neuere Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts zugute, wonach Beschäftigte nicht verpflichtet sind, unbillige Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Bei einer Weigerung die unbillig angeordneten Überstunden zu leisten, können sie sich Beschäftigte gegen eventuelle Konsequenzen wie eine Abmahnung oder eine Kündigung rechtlich wehren.
Tipp:
Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht, rät bei Überstunden zu einem Freizeitausgleich – sofern im Arbeitsvertrag festgelegt – anstatt sich das Geld auszahlen zu lassen. Dadurch sei der Arbeitgeber gezwungen, ausreichend Beschäftigte zu beschäftigen.
4 Ratschläge, wenn Überstunden zum Problem werden:
- Sprechen Sie mit Ihren Kolleg:innen, um Überstunden künftig zu vermeiden, sich gegenseitig Tipps zu geben und die Arbeit gleichmäßig zu verteilen.
- Gehen Sie die Probleme gemeinsam als Belegschaft an und versuchen Sie, die Situation im gesamten Betrieb zu verbessern.
- Sprechen Sie Ihre Vorgesetzten aktiv auf die Missstände an und bitten um Entlastung – oder einen angemessenen Ausgleich.
- Sollte sich die Situation, bspw. aufgrund von Personalmangel, nicht bessern, wenden Sie sich an Ihren Betriebsrat oder eine Arbeitnehmervertretung, um gemeinsam eine Strategie zu finden, um zur Regelarbeitszeit zurückzukehren.
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